Samstag, 20. Januar 2007

Meine wunderbare Familie

Meine wunderbare Familie
Fred Spät
(Mario Mohr)

Sollte man sich zunächst nur oberflächliche Fakten ansehen, so könnte man auf die irrsinnige Idee kommen, meine Familie wäre wie jede andere auch.
Der Vater ein Mann, die Mutter eine Frau und der Bruder ein asozialer Prolet, der voraussichtlich mit 30 Jahren immer noch keinen Führerschein haben wird, geschweige denn ein Leben.
Allerdings ist diese Familie keinesfalls normal, warum versuche ich nun zu schildern.
Die Familie Spät, nun eigentlich heißt sie nicht einmal Mohr. Es wird schwierig sein den Namen meiner Familie festzulegen da sich Dutzende Namen in ihr frei bewegen. Da wären Müller, Spät, Schulz, Leimler und wahrscheinlich noch mehr, aber ich habe sie vergessen oder verdrängt. Wahrscheinlich verdrängt.
Nun muss man sich fragen: Woher kommt der Name Spät? Von meinem Vater. Klaus Spät. Das merkwürdige daran ist, dass seine Mutter den Namen Recks trägt. Das war in meiner Kindheit das größte aller Rätsel. Irgendwann kamen meine Eltern auf die geniale Idee, eine ihrer vielen zusammen mit der sich scheiden zu lassen, mich aufzuklären.
Anscheinend war es in der DDR Mode, seine Frauen zu verlassen und in den Westen abzuhauen um dort weitere Frauen zu verlassen. So tat das mein Opa aber auch mein Opa, dass damit beide gemeint sind ist ja wohl jeden klar.
Meine väterliche Oma lies sich nicht daran stören und heiratete noch einmal, während meine mütterliche Oma wohl für immer von Männern geschädigt sein wird. Das heißt jetzt nicht dass sie eine Phobie hegt, sondern eher, dass sie nicht mehr heiraten wird.
Jedenfalls trug der abgehauene Opa, väterlicherseits den Namen Spät. Mit ihm, meinen Vater und meiner Mutter, meinen Bruder und ich trägt nur noch einer den Namen Spät in unserer Familie: Mein schwuler Onkel, es sei denn er hat geheiratet und den Namen seines Mannes angenommen.
Genug davon, wenden wir uns wieder meiner Familie zu. Es gibt noch einige andere Phänomene. Zum Beispiel Miezi, oder wie sie heißt. Sie war schon immer da, aber sie gehört nicht zur Familie. Sie ist die Freundin von irgendwem, soviel war mir immer klar, aber ich habe es nie genau gewusst. Heute weiß ich, dass sie eine Freundin meiner Großtante ist und selbst meine Großtante, Ute heißt sie, Miezi nicht leiden kann. Jetzt frage ich nicht mehr wer sie ist, sondern was sie bei uns will. Hat sie keine eigene Familie? Also wenn sie eine hat, dann wurde sie dort verstoßen.
Ich kann mich noch gut an eine Feier-Situation erinnern. Mein Großonkel Dieter, der Mann von Ute, hat einen relativ großen und hübschen Schrebergarten und dort fanden immer größere Feiern statt. Bei den Feiern gibt es immer Essen in Form von Rostern, so sagen wir Thüringer zu Rostbratwürsten, und Rostbrättl mit gebratenen Zwiebeln. Einmal bekam Miezi die ehrenvolle Aufgabe Zwiebeln zurecht zuschneiden, wahrscheinlich eine der wenigen Aufgabe die diese nach Indianerschamanin aussehende Frau kann, und ich saß unglücklicherweise an dem selben Tisch wie sie.
Sie nahm plötzlich ein Stück Zwiebel in die Hand und streckte es mir entgegen, zeitgleich fragte sie mich: „Rohe Zwiebel?“ (Es sei außer Acht gelassen, dass sie nicht weiß, dass man in einen Satz mehr als nur Substantive und Adjektive verwendet.) Ich antwortete auf diese geistreiche Frage geistreich: „Ähhh ... nein?“.
Daraufhin zog sie selbstüberzeugt, aus welchen Gründen auch immer, die Augenbrauen hoch und streckte genussvoll, und so als hätte sie im Leben alles erreicht, das Stück Zwiebel in den Mund und fing an zu kauen. Daraufhin musste ich mich übergeben.
Das ist aber nicht das einzige was es über sie zu berichten gibt. Sie stand einmal in der Küche meiner Mutter-Oma und sprach mit jemanden. Keine Angst, dieser jemand existierte tatsächlich. Ich hörte rasch aufeinander folgende Sprachfetzen die sich so anhörten: „Huuäääääääh hiiiii hoooo....American Football, das englische da.“
Ich frage mich bis heute, was diese illuminatische Botschaft bedeutet. Vielleicht eine Formel um Steintore in der Wüste zu öffnen, wer weiß?
Diese Frau ist mir so was von unangenehm aber damit nicht genug. In der DDR gab es kein bis wenig Englischunterricht, aber diese Frau stammt wahrscheinlich noch aus dem heiligen römischen Reich deutscher Nation oder sie ist amerikanische Ureinwohnerin. Jedenfalls trat sie einen Kirchenchor bei, der englische Lieder singt und sie kann kein Englisch!
Ute fragte sie wie sie die Texte lesen wollte, worauf sie sagte: „Ich hatte Privatunterricht.“
Sie gehörte zu den Ärmsten der Ärmsten, aber sie hatte Privatunterricht. Meine Großtante war natürlich sofort davon überzeugt.
Später stellte sich heraus, dass ihr Vater ihr ein paar englische Wörter beigebracht hatte, die sie nicht einmal schreiben kann.
Naja sie steht auf der Liste meine liebsten Verwandten zusammen mit meiner Vater-Oma.
Warum mein Vater, mein Bruder, meine Mutter und ich sie nicht leiden kann werden ich vielleicht ein anderes mal erzählen.
Ich werde meine Familie wahrscheinlich in nächster Zeit nicht mehr sehen, da meine Mutter einen Bandscheibenvorfall hat und meine Bruder mit seinen 18 Jahren zu dämlich ist einen Führerschein zu machen. Naja das ist mein Leben und meine Familie.


Sämtliche Namen sind frei erfunden.

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